Bingen - Pos. 25
Stolpersteine für Richard, Helene geb. Kann, Elise und Lea Strauss in der Kurfürstenstraße 3
Text: Beate Goetz
Der Rechtsanwalt Richard Strauß kam am 29. September 1872 als Sohn von Simon Strauß und seiner Ehefrau Regina geborene Levi in Alzey zur Welt. Am 25. April 1905 heiratete er Helene Kann, die am 30. Juni 1885 als Tochter des Kaufmanns Wilhelm Kann und seiner Frau Elise geborene Grünebaum in Waldlaubersheim geboren wurde. Zum Zeitpunkt der Hochzeit des jungen Paares, die in Bingen stattfand, waren Regina Strauß und Elise Kann bereits verstorben.
Richard und Helene Strauß hatten fünf Töchter, die alle in Bingen zur Welt kamen: Ruth am 15. Mai 1906, Elise Ester am 5. Mai 1909, Miriam am 19. März 1911, Johanna am 18. März 1915 und Lea Suzanna am 17. Januar 1921. Die Familie wohnte zur Miete in der Kurfürstenstraße 2 (heute 3) im Haus von Carl August Fischer II.
Richard Strauß führte zusammen mit dem Anwalt Robert Stern in der Mainzer - bzw. Adolf-Hitler-Straße 9 eine Anwaltskanzlei. Das Anwesen hatte Richard Strauß 1914 erworben. Es fiel 1939, ebenso wie das Haus Nummer 4 in der Schmittstraße, an das Deutsche Reich, vertreten durch das Finanzamt Moabit in Berlin.
Richard Strauß gehörte der liberalen Israelitischen Religionsgemeinde in der Rochusstraße an, war Mitglied im Verein für jüdische Geschichte und Kultur und im Synagogenchorverein.
Schon 1933 emigrierten Richard und Helene Strauß mit den Töchtern Elise, Miriam, Johanna und Lea nach Haag in Holland. Am 30. Juli 1933 richtet Richard Strauß von Holland aus ein Schreiben an den Landgerichtspräsidenten in Mainz, in dem er darum bittet, ihn aus der Liste der beim Landgericht Mainz eingetragenen Rechtsanwälte mit Wirkung vom 31. Juli 1933 zu löschen. Er gibt darin gesundheitliche Gründe seiner Frau an, der man dringend geraten habe, nicht nach Deutschland zurückzukehren.
In einem Schreiben der Deutschen Gesandtschaft in Haag vom 14. November 1934 an das Hessische Landgericht in Mainz wird erwähnt, dass gegen den Rechtsanwalt Richard Strauß ein Verfahren zur Aberkennung der Reichsangehörigkeit schwebt.
Die älteste Tochter Ruth war mit dem am 3. Juli 1902 in Bingen geborenen Paul Schmalz verheiratet. Das Paar wohnte mit seinen Kindern Ernst Josef (*6. Nov. 1928) und Eva Elise Erika (*29. Okt. 1930) in der Adolf-Hitler-Straße 34. Die Familie emigrierte am 6. August 1934 nach Holland, von wo aus sie später nach Nordamerika auswanderte.
Miriam Strauß gehörte in Bingen dem jüdischen Wanderbund „Kameraden“ an. 1926/27 gründete sie mit anderen auch in Kreuznach eine Gruppe, die sie im ersten Jahr leitete. (Quelle: Andrea Fink, Bad Kreuznach).
Dr. Ellen Pine geborene Kann, eine Cousine der Strauß-Töchter, die in der Gaustraße 57 aufgewachsen war, schrieb 2002 an den Arbeitskreis Jüdisches Bingen: “Miri und ihre Familie lebten in Frankreich. Sie flohen von Straßburg in den unbesetzten Süden, Miri mit einem kleinen Kind in einem Korb auf ihrem Fahrrad… Ruth und Hanna hatten Holland schon vor dem deutschen Einmarsch verlassen. Ruth und Miri starben in den USA, Hanna in England nach einer Herzoperation; sie lebte mit ihrer Familie in Nairobi.
In einem Brief vom Oktober 2006 schrieb Lisa Japha geborene Gross: „Lore Borg (sie wohnte in der Saarlandstraße 40 und emigrierte mit ihren Eltern nach England) und Hanna Strauß waren die einzigen Mädchen in der Gymnasialklasse meines Bruders Werner Gross.“
Richard und Helene Strauß und die Töchter Elise und Lea wurden nach der Internierung im Lager Westerbork in Holland 1944 nach Auschwitz deportiert und ermordet.
Robert Stern (*28. Mai 1894 in Alzey), der Sozius von Richard Strauß, war mit der Schwester von Paul Schmalz, Martha Schmalz (*24. Juli 1900) verheiratet. Das Paar emigrierte mit seiner Tochter Hilde (*10. Mai 1924) am 16. Februar 1939 nach Nordamerika.
Die Stolpersteine für Familie Strauß werden von einem ehemaligen Binger Bürger finanziert.