Bingen - Pos. 18
Stolpersteine für Moritz und Rosalie Nathan geb. Lazarus und August Lazarus am Burggraben 1
Text: Beate Goetz
Mit zwei Stolpersteinen will Dr. Ruth Formanek zusammen mit Sohn David und Tochter Ellen an ihren Großonkel Moritz Nathan und seine Frau Rosalie (geb. Lazarus) erinnern. Moritz Nathan, am 15. Dezember 1861 in Ockenheim als Sohn von Josef und Sara Nathan geboren, war ein Bruder ihrer Großmutter Rosine, die mit Samuel Löwenstein aus Bingerbrück verheiratet war. Moritz Nathan war Eigentümer einer großen Weinhandlung in Ockenheim,
besaß mehrere Weinberge und ein eigenes Kelterhaus. Da das Paar kinderlos blieb, nahm es den Neffen Josef Löwenstein (1892-1935), den Vater von Ruth Formanek, an Sohnes statt an; er war später Sozius im Betrieb. Rosalie Nathan kam am 18. Dezember 1868 in Appenheim als Tochter von Bernhard und Amalie Lazarus zur Welt.
Dr. Ruth Formanek erinnert sich an eine Begebenheit, die ihre Mutter in ihren Lebenserinnerungen festhielt: "Es muss im Herbst 1935 zur Zeit der Traubenernte, einen Tag vor Jom Kippur gewesen sein. In der Straße vor dem Nathan 'schen Anwesen drängten sich die Erntewagen der Bauern, die ihre Trauben abliefern wollten, als ein Arbeitsdiensttrupp vorbeimarschierte. Worte wie 'Ihr Vaterlandsverräter, ihr gebt eure Trauben dem Juden' fielen, was Rosa Nathan veranlasste, mit 'Lumpenzeug' zu reagieren.
Noch am selben Abend wurde Rosa Nathan von zwei SA-Leuten verhaftet; auch Josef Löwenstein, der zu dieser Zeit schon mit seiner Familie in Bingen in der Martinstraße 5 wohnte, wurde von SA-Leuten abgeholt und verbrachte mit Rosa Nathan eine Nacht im Binger Gefängnis. Da die Weinlese im Gange war und die Firma Nathan gebraucht wurde, setzte sich der damalige Ockenheimer Bürgermeister für die beiden ein, so dass sie am nächsten Tag freikamen."
Als Josef Löwenstein im Dezember 1935 unerwartet starb, gaben Moritz und Rosa Nathan später das Weingeschäft auf und zogen nach Bingen in den Burggraben 1. Aus ihren Briefen an die ausgewanderten Angehörigen sprechen Pessimismus und Hoffnungslosigkeit aufgrund der immer größer werdenden Repressalien. Am 27. September 1942 wurden Moritz und Rosalie Nathan nach Theresienstadt deportiert. Auch die Verwandten August Lazarus und Juliane Rosam stehen auf der Liste dieser Deportation.
Das Gedenkbuch für die 'Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945', das vom Bundesarchiv in Koblenz und dem internationalen Suchdienst in Arolsen bearbeitet wurde, nennt als Todesdatum für Moritz Nathan den 21. November 1942, für Rosalie den 11. Januar 1943. Auch Juliane Rosam und August Lazarus überlebten den November 1942 nicht.
August Lazarus
Letzte Wohnung war ein sogen. 'Judenhaus'
Auch den Stein fr August Lazarus will Dr. Ruth Formanek mit ihrer Familie stiften. Er soll an den Bruder ihrer Großtante Rosalie Nathan geb. Lazarus erinnern, der am 3. Okt. 1867 in Appenheim als Sohn von Bernhard und Amalie Lazarus geboren wurde. Neben Rosalie gab es noch den Bruder Siegfried Lazarus, der nach Afrika ausgewandert war. Die Geschwister Hermann, Leo und Jettchen waren im März 1940 schon verstorben.
Dr. Formanek schrieb am 10. Dez. 2008. 'August Lazarus, der Bruder von Rosa Nathan, war in der Fa. Moritz Nathan tätig und wohnte bei Nathans.' - Das ist sicher auch der Grund, warum er 1940 zusammen mit dem Ehepaar Nathan in Bingen am Burggraben 1 wohnte. August Lazarus musste vor den Deportationen in die Kapuziner Str. 3, ein sogen. 'Judenhaus' umziehen. Er kam mit dem Transport vom 27. September 1942 nach Theresienstadt, wo er am 15. November 1942 starb. Eine nähere Erklärung der Todesumstände gibt es nicht. Ein 'Stolperstein' erinnert 'Am Burggraben' an August Lazarus.