Bingerbrück - Pos. 1

Stolpersteine für Hermann und Sema herz geb. Löwenstein und Harra Löwenstein in Bingerbrück, Schloßstraße 2

Text: Beate Goetz

Zwei der Bingerbrücker Steine sind Hermann und Selma Herz, geb. Löwenstein, gewidmet, die in der Schloßstraße 2 eine Kohlenhandlung betrieben. Zeitzeugen erinnern sich gut an das wohlhabende, hoch angesehene Ehepaar. Selma Herz wurde 1897 als Tochter des Viehhändlers Samuel Löwenstein (gestorben 1921) und seiner Frau Rosine, geb. Nathan, (1857 bis 1918) in Bingerbrück geboren. Ihr Bruder Josef (1892 bis 1935), wurde schon als Kind von Moritz Nathan, dem Bruder seiner Mutter, und dessen Frau Rosa adoptiert, da diese kinderlos waren. Bruder Hugo starb im Ersten Weltkrieg, als das Feldlazarett an der Ostfront, in das er nach einer Verwundung eingewiesen war, in Flammen aufging.

Selma Löwenstein heiratete Hermann Herz, der am 24. August 1888 in Fort Gains, USA geboren wurde, dessen Familie aber vor dem Ersten Weltkrieg nach Deutschland zurückkehrte. 'Er kämpfte für sein deutsches Vaterland und verlor deswegen seine amerikanische Staatsbürgerschaft', so Dr. Ruth Formanek, Tochter von Josef Löwenstein. Aus der Ehe Herz gingen drei Kinder hervor: Günther (*1922), Ruth (*1923) und Kurt (*1925). Der Älteste verließ Deutschland im Juli 1937 und ging nach Schweden, wo ihm Berthold Goldschmitt, ein Halbbruder von Hermann Herz, ein Studium zum Elektroingenieur ermöglichte. Ende der 40er Jahre gründete er eine eigene Firma, die Holzspielzeug und Zinnschmuck herstellte. Die beiden jüngeren Geschwister folgten ihm im Januar 1939. Auch Kurt Herz wurde Ingenieur und blieb in Schweden. Ruth arbeitete als Übersetzerin und betrieb mit ihrem Mann Stefan Schueler eine Galerie und einen Buchladen.

Dr. Ruth Formanek in einem Brief an den Arbeitskreis Jüdisches Bingen: 'Selma und Hermann Herz schrieben zwischen 1938 und ihrer Deportation am 20. März 1942 nach Lublin über hundert Briefe an ihre Kinder in Schweden, baten sie, öfter zu schreiben und Fotos zu schicken. Beide Eltern schrieben noch über ihre Hoffnung, in die USA auswandern zu können und dort mit ihren Kindern vereint zu werden. Das letzte Lebenszeichen war eine Karte, in der Herz seine Kinder in Schweden informiert, dass ihre Eltern zusammen mit vielen Leuten bald Onkel Josef besuchen werden. Das war Ende 1942 oder Anfang 1943. Onkel Josef war ein Codewort, das die Kinder verstanden. Sie wussten, dass Onkel Josef, mein Vater, nicht mehr besucht werden konnte, weil er damals schon acht Jahre tot war.' Der dritte der Bingerbrücker Steine erinnert an Harry Löwenstein. Er wurde um 1910 als Sohn von Julius Löwenstein und seiner Frau Berta geboren. Julius Löwenstein war ein Halbbruder von Samuel Löwenstein, dem Großvater von Ruth Formanek. Diese erinnert sich an ihren Onkel als einen 'kleinen, gutmütigen Menschen, der geistig etwas zurückgeblieben war und deshalb keinen Beruf hatte.' Als Julius Löwenstein in den 20er Jahren nach Amerika emigrierte, ließ er den Sohn zurück, der fortan bei Hermann und Selma Herz lebte. Harry Löwenstein wurde nicht deportiert, da er schon Ende der 30er Jahre spurlos aus Bingerbrück verschwand.

Hermann Herz am Auto anlehnend