Bingen - Pos. 26

Stolpersteine für Ernst, Marianne geb. Schwalbe und Marion Wolf in der Mainzerstraße 10

Text: Beate Goetz

Der Weinhändler Ernst Wolf kam am 2. April 1895 als Sohn des Kaufmanns Emil Wolf aus Planig und seiner Frau Billa geborene Berl aus Merzig in Bingen zur Welt. 1918 erwarb Emil Wolf das Haus in der Mainzerstraße 14, heute 10, von Jacob Heyum; 1933 ging das Anwesen an Sohn Ernst Wolf über. Emil Wolf war 1923, seine Frau 1928 gestorben.

Am 19. Mai 1927 heiratete Ernst Wolf die in Bingen am 14. Mai 1904 geborene Gerta Marx. Ihre Eltern waren August und Toni Marx geborene Weiss, die aus Ginsheim bzw. Langenlonsheim stammten. Tochter Marion kam am 15. Januar 1928 in Bingen zur Welt. Als 10-Jährige verlor sie die Mutter, die am 18. November 1938 in Berlin an Lungeninsuffizienz starb. Gerta Wolf ruht auf dem Binger jüdischen Friedhof neben ihrem Vater; eine Inschrift erinnert an Toni Marx, die Mutter, die ein Opfer des Holocaust wurde. Schwester Else Gutheim geborene Marx emigrierte mit ihrem Mann Hermann Gutheim und den Töchtern Ingeborg und Hannelore im August 1938 nach Nordamerika.

Hannelore Simon geborene Gutheim hielt bis zu ihrem Tod im Januar 2012 engen Kontakt mit dem Arbeitskreis Jüdisches Bingen. Bei einem Besuch in der alten Heimat, den sie 2003 mit ihrem Partner Joe Berger, Sohn Cary und seiner Frau Andrea machte, stand sie voll Sehnsucht vor den ehemaligen Häusern der Verwandten und am Grab des Großvaters und der geliebten Cousine.

Als seine Geschwister gibt Ernst Wolf in seiner Familienliste von 1940 Lina Haber und Erna Neumann in Brüssel an. Er war Mitglied in der Jüdischen Kultusvereinigung Bingen. Im Ersten Weltkrieg kämpfte er als Kriegsfreiwilliger von Beginn bis Ende des Krieges und wurde mit dem allgemeinen Ehrenzeichen für Kriegsverdienste und dem Ehrenkreuz für Frontkämpfer ausgezeichnet.

Aus dem erzwungenen Verkauf seines Hauses mit Weinhandlung im Mai 1938 blieb Ernst Wolf ein kleines Kapitalvermögen. Im Juni 1939 musste er mit Tochter Marion in das „Judenhaus“ Am Burggraben 1 umziehen. Im März 1940 hoffte man noch auf eine Bürgschaft für die USA.

Am 29. Dezember 1941 heiratete Ernst Wolf erneut. Die Hochzeit mit der Sekretärin Marianne Schwalbe, die am 1. April 1904 als Tochter des Kaufmanns Mathias Schwalbe und seiner Frau Hedwig geborene Neubauer in Görlitz zur Welt kam, fand in Bingen statt.

Am 20. März 1942 wurde die Familie mit den Nummern 534, 535 und 536 nach Piaski in Polen deportiert. Ihr weiteres Schicksal ist unbekannt.

Die drei Steine, die an Familie Wolf erinnern, werden von Schülerinnen und Schülern des Stefan George-Gymnasiums finanziert. Unter dem Eindruck einer Fahrt nach Auschwitz und Krakau im Januar 2013 beschlossen die jungen Leute, selbst etwas zu tun. Auf einer internen Internetplattform warben sie für ihr Projekt und hatten bald die Summe für drei Stolpersteine beisammen.

Marion Wolf in der unteren Reihe links