Bingen - Pos. 38

Stolpersteine für Eugen Alexander und Paula Mandel in der Mainzerstraße 31

Text: Beate Goetz

BINGEN. Eugen Alexander Mandel wurde am 2. April 1872 in Kaiserslautern geboren. Seine Eltern waren der Fruchthändler Ludwig Mandel und seine Frau Rosalie geborene Blum. Geschwister hatte Eugen Mandel keine. Am 26. März 1914 heiratete er die Bingerin Paula Brück, die am 8. März 1884 in Alsenz als Tochter des Weinhändlers Max Brück und seiner Ehefrau Klara geborene Dahlsheimer zur Welt gekommen war. Die Hochzeit fand in Bingen statt. Als Zeugen fungierten der Weinhändler Ludwig Brück, ein Bruder der Braut, und der Schuhwarengroßhändler Adolf Wilhelm Hofmann aus Pirmasens. Zum Zeitpunkt der Hochzeit waren Eugens Eltern und Paulas Vater bereits verstorben. Am 7. September 1916 wurde Sohn Ludwig geboren. Auch Eugen Mandel handelte in Pirmasens mit Schuhwaren en gros. Der Heiratseintrag weist ihn als „Fabrikant" aus.

Paula Mandel hatte fünf Geschwister: Alfred, Karl, Emma, Clementine und Ludwig. Alfred Brück war der Vater von Herbert Brück und Doris Herzberg, die mit ihren Partnern am „Wiedersehen mit Bingen" 1999 teilgenommen hatten. Alfred Brück war mit Ehefrau Paula und Sohn Herbert 1939 nach Chile geflohen, Tochter Doris hatte man vorher in das unbesetzte Frankreich zu Verwandten geschickt: Sie konnte erst nach dem Krieg nach mehreren Fluchtversuchen und Internierung in Rivesaltes in Südfrankreich zu ihrer Familie gelangen.

Karl Brück, der schon 1939 starb, war der Vater von Lotte und Walter Brück und Ehemann von Lili Brück. An Lotte und Lili Brück erinnern schon die ersten beiden Stolpersteine in der Mainzer Straße 31. Lotte Brück floh im Februar 1939 nach Holland in die Hachschara Wieringermeer. Als diese 1941 geschlossen wurde, ging Lotte nach Amsterdam. Sie wurde dort verhaftet und nach Westerbork verbracht, von wo aus sie am 24. August 1942 nach Auschwitz deportiert und ermordet wurde. Ihre Mutter Lili Brück wurde am 20. März 1942 von Bingen aus nach Piaski in Polen deportiert und überlebte den Holocaust nicht. Walter Brück floh 1936 in die Schweiz, später von dort nach Holland, wo die Geschwister sich noch einmal trafen. Er konnte am 16. Juli 1939 mit dem letzten Schiff „Dora" von Amsterdam über Antwerpen nach Haifa gelangen. In Israel nannte er sich David Barkai und war ein Kibbuznik in Hazorea; er gründete eine Familie und starb 1989.

Flucht nach Frankreich

Emma Schömann, geborene Brück, und ihr Mann Siegmund kamen im November 1935 von Traben-Trarbach, wo sie ein Textilgeschäft geführt hatten, nach Bingen. Zunächst wohnten sie in der Kapuzinerstraße 30, im Mai 1938 erfolgte der Umzug in die Winfriedstraße 1. Im März 1939 floh das Paar nach Frankreich. Von Dezember 1940 bis September 1942 waren sie in Bordeaux und Poitiers interniert und wurden am 23. September 1942 über Drancy nach Auschwitz deportiert und ermordet. Sohn Ernst Schömann überstand den Krieg mit seiner Familie unbehelligt auf einem kleinen Bauernhof in Südfrankreich.

Clementine Brück heiratete 1906 Moses Bronne aus Alzey, der eine Fabrik und ein Bekleidungsgeschäft hatte. Die Hochzeit fand in Alsenz statt. Drei Kinder wurden geboren: Elsbeth 1907, Margaret 1908 und Kurt 1910. Elsbeth floh 1936 mit ihrem Mann Walter Grünebaum und Sohn Claude in die USA und lebte in Cincinnati, wohin sie ihre Eltern 1940 nachholen konnte. Clementine Bronne starb 1958, Moses Bronne 1964. Margaret Bronne heiratete Julius Ansbacher. Sie starb 2002 in Needham, USA.

Kurt Bronne konnte sein begonnenes Medizinstudium in Nazi-Deutschland nicht beenden und floh in die Schweiz. Von dort emigrierte er nach England., wo er als Zahnarzt arbeitete. Ludwig Brück war zweimal verheiratet. Am 1. Juni 1912 fand die Hochzeit mit Elsa Löwensberg statt, die aus Nieder-Ingelheim stammte. Zwei Söhne wurden geboren: Max und Heinz. Die Familie wohnte in der Gaustraße 14. Elsa Brück starb im Juli 1933 und ruht auf dem Binger jüdischen Friedhof. Heinz Brück floh im Oktober 1935 nach Palästina, Max Brück im Dezember 1937 nach New York.

Am 10. Februar 1939 heiratete Ludwig Brück in Hamburg die ebenfalls verwitwete Julia von Halle. Das Paar lebte in Frankfurt. In Binger Unterlagen heißt es, Ludwig Brück sei von Frankfurt aus nach Palästina ausgewandert. Doris Herzberg geborene Brück schrieb dazu: „Soviel ich weiß, ist mein Onkel mit seiner zweiten Frau nach Jugoslawien geflohen. Soviel mir bekannt ist, kam er später in ein Lager und ist dort umgekommen." Im Gedenkbuch für die Opfer des Nationalsozialismus gibt es einen Eintrag für Julia Brück geborene von Halle, nicht aber für Ludwig Brück.

Am 21. November 1939 kamen Eugen und Paula Mandel von Pirmasens nach Bingen und wohnten im Haus von Lili und Alfred Brück in der Adolf-Hitler-Straße 31. Sohn Ludwig war zu diesem Zeitpunkt schon in die Schweiz emigriert, erwarb die schweizerische Staatsbürgerschaft, zog aber später weiter nach England. Er handelte mit Metallen und starb 2003 in London.

Eugen Mandel war im Ersten Weltkrieg als Armierungssoldat eingesetzt. Er hatte die Wartenummer 29074 für die USA beim amerikanischen Konsulat in Stuttgart. Wie er im Fragebogen vom März 1940 angab, habe er früher mit der Deutschen Staatspartei sympathisiert. Auf die Frage nach den Vermögens- und Einkommensverhältnissen vermerkte er, er sei ohne Einkommen und habe eine Forderung an die Saarpfälzische Vermögensverwaltung in Neustadt/Weinstraße durch Hausverkauf. Die Höhe sei unbekannt, da es keine Abrechnung gegeben habe. Es sei eine Sicherheitsanordnung ergangen.

Klara Brück, Paula Mandels Mutter, starb am 5. Januar 1923 in Bingen. Sie und ihr Ehemann Max Brück sind auf dem jüdischen Friedhof in Alsenz bestattet.

Eugen und Paula Mandel wurden am 27. September 1942 mit den Nummern 891 und 892 in das Ghetto Theresienstadt deportiert, wo Eugen Mandel am 19. Dezember 1942 zu Tode kam. Paula Mandel wurde am 23. Januar 1943 in das Vernichtungslager Auschwitz verschleppt und ermordet.

Die Stolpersteine für Eugen und Paula Mandel werden vom Arbeitskreis Jüdisches Bingen und durch einen Restbetrag der Spendenaktion des Stefan George-Gymnasiums anlässlich des Schuljubiläums finanziert.

Dank gilt Myriam Daru-Schoemann, NL, der Enkelin von Emma Schömann, für viele Informationen zur Familiengeschichte.